MED Facharztzentrum
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Myokard-SPECT: Mit Bildern und Zahlen dem Herzinfarkt zuvor kommen

03. Jun 2019

Myokard-SPECT? Was soll das bedeuten? Auch der deutsche Begriff „Herz-Szintigrafie“ sagt vielen Patienten, aber auch einigen Ärzte nicht allzu viel. Mit dieser technisch komplexen, aber für Patienten schonenden Untersuchung lassen sich Durchblutungsmängel im Herzmuskel nachweisen. Und zwar „nicht-invasiv“, das heißt ohne Katheter, ohne Operation und ohne Narkose.

Die beiden häufigsten Anlässe für eine Myokard-SPECT sind der Ausschluss einer koronaren Herzkrankheit (KHK) und die  Verlaufs-Beurteilung einer bereits bekannten KHK.

Bei Patienten mit KHK treten Durchblutungsmängel des Herzmuskels als Folge von
verengten Herzkranzgefäßen auf. Mit der Myokard-SPECT lassen sich Ort, Ausdehnung und Schweregrad von solchen Mängeln erfassen. Dies ist besonders wichtig bei der Entscheidung, ob Patienten medikamentös oder durch eine Katheter-Maßnahme (Ballon oder Stent) behandelt werden sollen.

Während sich mit einer Herzkatheter-Untersuchung Verengungen („Stenosen“) der Herzkranzgefäße bildlich darstellen und genau vermessen lassen, geht es bei der Myokard-SPECT um die Frage, ob vorhandene Stenosen die Sauerstoffversorgung in den nachgeschalteten Herzmuskelzellen tatsächlich relevant einschränken.

Untersucht wird sowohl nach Belastung als auch in Ruhe.

Die Untersuchung erfolgt fast immer zwei Mal, nach Belastung auf dem Fahrradergometer und in Ruhe. Die Ergometer-Belastung gilt dann als ausreichend, wenn eine bestimmte, altersabhängige Pulsfrequenz erreicht wird.

Bei Patienten, die ihre Zielfrequenz nicht erreichen, etwa wegen Gelenkschmerzen oder Luftnot, kann die Herzbelastung auch medikamentös herbeigeführt werden. Dazu sind koronare Vasodilatatoren verfügbar, also Medikamente, die eine Weitstellung der Herzkranzgefäße bewirken. Das modernste Mittel dieser Art „Regadenoson“ hat nur selten Nebenwirkungen und kann auch Patienten mit Asthma und chronischer Bronchitis meist bedenkenlos gegeben werden.

Noch während der Belastung wird eine Verbindung aus radioaktivem Technetium-99 („99mTc“) und den Molekülen Sestamibi oder Tetrofosmin intravenös injiziert. 99mTc hat eine kurze Halbwertszeit von nur 6 Stunden.

Sestamibi oder Tetrofosmin werden abhängig von der Durchblutung an Strukturen innerhalb der Herzmuskelzelle gebunden. 15 bis 60 Minuten nach Injektion werden von der Verteilung des radioaktiven Markers Bilder erstellt.

Die optimale Vorbereitung der Patienten ist wichtig.

Sowohl vor der Ruhe- als auch der Belastungsuntersuchung müssen Patienten mindestens 4 Stunden lang nüchtern sein. Für die Planung und EKG-Interpretation bei der ergometrischen Belastung muss der Nuklearmediziner über die Einnahme von Herzmedikamenten wie Beta-Blockern informiert sein. Darüber sollten Absprachen mit dem behandelnden Kardiologen stattfinden, idealerweise muss am Untersuchungstag ein schriftlicher Befund vorliegen. Damit es bei einer medikamentösen Belastung nicht zu Wechselwirkungen kommt, darf vorher 12 h lang kein Koffein konsumiert werden, also kein Kaffee, Cola, schwarzer/grüner Tee oder koffeinhaltige Medikamente.

Die Technik: Herzdurchblutung in drei Dimensionen

„SPECT“ steht für „Single Photon Emission Computed Tomography“. Hierbei wird mit einer rotierenden Mehrkopf-Gammakamera (Abbildung 1) ein 3-dimensionaler Bilddatensatz erstellt. Die Bilderfassung erfolgt EKG-getriggert, man spricht von „Gated-SPECT“, so dass die unterschiedlichen Phasen der Herzkontraktion dargestellt werden.

Hieraus lassen sich zusätzlich einige für die Herzfunktion wichtige Größen errechnen, z.B. Wandbewegungen und die linksven-trikuläre Ejektionsfraktion (LVEF), d.h. der
Anteil des Blutvolumens, der bei einem Pumpvorgang aus der gefüllten linken Herzkammer ausgeschwemmt wird.

Eine verminderte Speicherung von 99mTc-Sestamibi unter Belastung bei normaler Speicherung in Ruhe entspricht einer belastungsabhängigen Minderduchblutung bzw. Ischämie (Abbildung 2). Dazu kommt es im nachgeschalteten Herzmuskel bei Einengungen des inneren Gefäßdurchmessers ab ca. 70 %. Ist die Speicherung sowohl unter Belastung als auch in Ruhe vermindert liegt eine nicht-reversible Ischämie vor. Eine solche „Narbe“ im Herzmuskel kann etwa als Folge eines nicht behandelten Herzinfarktes auftreten.

Bei hochgradig verengten Gefäßen, wenn die nachgeschalteten Herzmuskelanteile nicht vernarbt sind, aber die Durchblutung bereits in Ruhe eingeschränkt ist, spricht man von „hibernierendem Myokard“ (Herzmuskel im Winterschlaf). Bei Patienten, deren LVEF der Belastungsaufnahme, um mehr als 5 % unter der LVEF der Ruheaufnahme liegt, besteht der Verdacht auf eine vorübergehende ischämiebedingte Funktionsstörung („myokardiales Stunning“). Zur Befundung einer Myokard-SPECT werden aus dem 3-dimensionalen Bilddatensatz  Schnittbilder in drei Ebenen rekonstruiert. Belastungs- und Ruheaufnahmen werden in der Regel untereinander angeordnet.

Zur weiteren Verbesserung der Informationsausbeute werden so genannte  Polartomogramme angefertigt (Abbildung 2 und 3). Dabei wird die gesamte linke Herzkammer auf eine Kreisfläche projiziert, die wiederum in Segmente unterteilt wird. In jedem Segment wird der gemessenen Radioaktivität eine Zahl von 0 bis 5 zugeordnet (0 = normal bis 5 = fehlend). Der resultierende Zahlenwert („Score“), wird für Belastung (Summed Stress Score: SSS) und Ruhe (Summed Rest Score: SRS) ermittelt.

Der Differenz-Score (Summed Difference Score: SDS) ist die Differenz aus SSS und SRS und steht für das Ausmaß der reversiblen Perfusionsstörungen, die „Ischämielast“. Zur besseren Vergleichbarkeit werden die SCORE-Werte umgerechnet in Prozent der Muskelmasse der linken Herzkammer.

Abb. 1: Unter einer Doppelkopf-Gammakamera wird ein Patient zur Herz-Szintigrafie positioniert.

Abb 2

Abb. 2:
Schnittbilder und Polartomogramme eines 55-jährigen Patienten mit typischer Angina pectoris. Diagnose: Große belastungsabhängige Ischämie der Herzspitze und der Herzscheidewand. Die Vortestwahrscheinlichkeit lag bei 77 %.

Abb 3

Abb. 3:
Schnittbilder und Polartomogramme eines 49-jährigen Patienten mit typischer Angina pectoris. Diagnose: Normalbefund ohne relevante Einengungen der Herzkranzgefäße. Die Vortestwahrscheinlichkeit lag bei 69 %.

Leitlinie: Bei mehr als 10 % Ischämielast ist ein Herzkatheter meist sinnvoll.

Der unmittelbare klinische Nutzen der Myokard-SPECT liegt darin, dass aus dem Untersuchungsergebnis das Risiko für kardiale Ereignisse, also Herzinfarkte oder andere herzbedingte Todesursachen abgeschätzt werden kann.

Dabei ist der SDS eine entscheidende Größe. Ergebnisse von Langzeitstudien belegen: Bei einer Ischämielast unter 10 %, also wenn höchstens 10 % der Muskelmasse der linken Herzkammer unter Belastung minderdurchblutet sind, ist das Sterberisiko bei einer medikamentösen Therapie inklusive Reduktion der Risikofaktoren (z.B. Rauchen, Übergewicht, erhöhte Blutfette) niedriger als bei einem Herzkatheter. Bei höheren Prozentwerten für die Ischämielast kehrt sich diese Relation um. In der Nationalen Versorgungs Leitlinie
Chronische KHK, wird empfohlen vor einem Herzkatheter eine „relevante“ Ischämie, durch ein funktionelles Verfahren nachzuweisen.

An dieser Stelle ist die Myokard-SPECT – stets in Zusammenschau mit der individuellen klinischen Symptomatik der Patienten – eine sehr
effektive Methode bei der Entscheidung für oder gegen einen Herzkatheter.

Welche Patienten profitieren von einer Herzszintigrafie?


Die Hauptzielgruppe für eine Myokard-SPECT sind Patienten mit verdächtigen Symptomen, bei denen die Wahrscheinlichkeit für eine KHK vor der Diagnostik („Vortestwahrscheinlichkeit“) zwischen 15 und 85 % liegt. Die Vortestwahrscheinlichkeit nimmt mit dem Lebensalter zu und ist umso höher, je typischer die Brustschmerz-Symptomatik ausfällt
(Abbildung 4). Zudem ist sie bei Männern höher als bei Frauen einzuschätzen. Unter 15 % sind andere Ursachen als eine KHK für die Symptomatik wahrscheinlich, so dass eine spezielle Funktionsdiagnostik meist nicht sinnvoll ist.  Oberhalvon 85 % ist eine behandlungsbedürftige KHK so wahrscheinlich, dass die Patienten in der Regel ohne weitere Diagnostik direkt
behandelt werden (meist durch eine Kathetermaßnahme).

Natürlich werden bei jeder  Entscheidung für oder gegen eine Myokard-SPECT sowohl die Vorgeschichte jeder Patientin und jedes
Patienten als auch die individuellen Beschwerden besonders berücksichtigt. Die Strahlen-
belastung bei einer Myokard-SPECT liegt bei 3 bis 5 mSv (Milli-Sievert). Zum Vergleich: Bei einem diagnostischen Herzkatheter sind es ca. 5 mSv, bei einer bei einer Computertomografie des Bauchraumes mit Kontrastmittel 5 bis 10 mSv. Die natürliche Strahlenbelastung liegt mit regionalen Unterschieden bei 2,5 – 10mSv/Jahr.

Die Kosten für die Myokard-Szintigrafie werden von allen gesetzlichen und privaten Kassen erstattet.



Kriterien der typischen Angina pectoris:

  1. Retrosternale Schmerzen oder Beschwerden.
  2. Beschwerden sind durch körperliche Belastung oder emotionalen Stress provozierbar.
  3. Besserung der Beschwerden durch Ruhe und/oder Nitrat-Einnahme.

Atypische Angina pectoris:
Zwei der Kriterien treffen zu.

Nichtanginöse Brustschmerzen:
Nur ein Kriterium trifft zu.

Dr. med. Stefan Käshammer
Facharzt für Nuklearmedizin
Bioscientia MVZ für Nuklearmedizin in der MED

Kontakt für Informationen und zur Terminvergabe unter
Tel.: 06131 / 2825-18


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