29. Mai 2019
Herr Müller sitzt müde im Wartezimmer. Es ist 9:30 Uhr, und obwohl er erst zwei Stunden vorher aufgestanden ist, ist er schon wieder müde. So geht es seit einem halben Jahr dauernd. Trotz 8 Stunden Schlaf ist Herr Müller müde und unkonzentriert. Häufig bestehen morgendliche Kopfschmerzen.
Am Arbeitsplatz muss sich Herr Müller oft zusammenreißen, um wach zu bleiben. Auch das soziale Leben leidet, da Herr Müller zu nichts mehr Lust hat.
Im Gespräch mit dem Arzt bestätigt sich der Verdacht des Hausarztes: Herr Müller hat ein Schlafapnoe-Syndrom.
Was ist ein Schlafapnoe-Syndrom?
Bei einer Schlafapnoe kommt es während des Schlafes immer wieder zu Atempausen, verbunden mit einem Abfall der Sauerstoffversorgung. Der zu niedrige Sauerstoff während der Nacht, bzw. die vermehrte Atemarbeit, mit der der Patient diesen zu beheben versucht, verhindern den Tiefschlaf und führen dadurch zu Müdigkeit am Tag. Maximales Symptom ist der Sekundenschlaf, speziell in langweiligen Situationen (Monotonie-Intoleranz).
Dramatische Folgen kann dies haben, wenn der Patient so müde ist, dass er am Steuer
einschläft.
Häufig schnarchen Patienten mit einem Schlafapnoesyndrom bereits seit Jahren, ehe nächtliche Atemaussetzer auftreten. Häufig wird die Symptomatik auch erst vom Partner thematisiert, den das Schnarchen stört, oder dem die Atemaussetzer Angst machen.
Speziell bei längeren Atempausen (20-30 s, teilweise auch minutenlang) hat der Patient nicht mehr genug Tiefschlaf. Dementsprechend ist der Schlaf nicht mehr erholsam.
Durch die Weckreaktionen bei zu tiefer Sauerstoffsättigung, die ein Ersticken verhindern, kommt es zu einem Anstieg von Blutdruck und Herzfrequenz.
Was verursacht ein Schlafapnoe-Syndrom?
Durch eine Verengung der Atemwege entsteht eine obstruktive Schlafapnoe.
Im Rahmen der Weckreaktion holt der Patient plötzlich, teilweise explosionsartig, tief Luft.Verschiedene Faktoren können dazu beitragen, dass die Atemwege verlegt werden:
Hauptfaktor des Schlafapnoe-Syndroms ist das Übergewicht. Durch vermehrtes Fettgewebe
unter der Schleimhaut kommt es zu einer Verengung des Rachens. Darüber hinaus muss der Patient speziell in Rückenlage mehr Atemarbeit leisten, um den Brustkorb und Bauch beim Atmen zu bewegen. Schafft er dies nicht, kann neben einer Apnoe (Atempause) auch eine Hypopnoe (zu flache Atmung) vorliegen, die ebenfalls zu einer verminderten Sauerstoffversorgung führen kann.
Auch ein stark zurückliegender Unterkiefer, große Mandeln oder eine vergrößerte Zunge sowie Alkohol oder Medikamente (z.B. Schlafmittel), die die Muskulatur entspannen, können zu einer Verengung des Rachens führen.
Beim zentralen Schlafapnoe-Syndrom liegt die Ursache im Atemzentrum im Gehirn. Hier entstehen die Atemaussetzer, wenn der Atemmuskulatur kurzzeitig der Befehl vom Gehirn fehlt, aktiv zu werden.
Wie erfolgt die Diagnosestellung?
Schon in der Anamnese werden typische Symptome erfragt. Beim Schlafapnoe-Screening erhält der Patient ein Gerät mit nach Hause, das den Atemfluss, die Atembewegungen von Brust und Bauch, den Puls sowie die Sauerstoffsättigung des Blutes misst. Auch Körperlage und Schnarchgeräusche
können registriert werden.
Bei auffälligem Befund erfolgt eine Untersuchung im Schlaflabor, bei der zusätzlich auch die Gehirnströme gemessen werden. Der Patient verbringt in der Regel ein bis zwei Nächte im Schlaflabor. Ergänzend kann eine Vorstellung beim Hals-Nasen-Ohren-Arzt, einem Zahnarzt/Kieferchirurgen oder beim Verdacht auf unruhige Beine, die den Schlaf ebenfalls stören können (Restless-legs-Syndrom) einem Neurologen, erfolgen.
Weitere Gründe für Tagesmüdigkeit können unter
anderem sein: Blutarmut, Schilddrüsenunterfunktion sowie Depression.
Behandlung des Schlafapnoe-Syndroms
Hat ein Patient nur wenige Atemaussetzer, können sich diese nach einer Gewichtsreduktion zurückbilden. Auch durch den Verzicht auf Alkohol und Schlaftabletten kann sich die Symptomatik verringern.
Auch durch die Verbesserung der Schlafhygiene kann der Schlaf verbessert werden: z.B. keine größeren Mahlzeiten nach 18:00 Uhr, Spaziergang sowie Entspannung vor dem Schlafen.
Bei Aussetzern speziell in Rückenlage gibt es Lagerungswesten, die verhindern, dass sich der Patient auf den Rücken legt. Selbst durch ein Knäuel Socken im Rücken kann dies schon erreicht werden.
Bei mehr Aussetzern ist eine Atemmaske notwendig. Anfangs kann die Therapie mit einer Nasenmaske versucht werden, bei unzureichender Wirksamkeit oder Schlafen mit dem offenen Mund benötigt der Patient eine Vollgesichtsmaske. Die Entscheidung, welche Maske die richtige ist, wird im Schlaflabor getroffen.
Bei einem zu weit hinten liegenden Unterkiefer gibt es sogenannte Unterkiefer-Protrusions-Schienen, durch die der Unterkiefer nach vorne gezogen wird und somit die Atemwege erweitert werden. Die Schienen werden von hierauf spezialisierten Zahnärzten angefertigt. In bestimmten Fällen kann auch die Indikation für eine Operation im halsnasenohrenärztlichen Bereich vorliegen.
Durch die Behandlung eines Schlafapnoesyndroms werden nicht nur die gefährlichen Apnoephasen beseitigt. Durch die Verbesserung der Schlafqualität verringert sich auch die Tagesmüdigkeit, wodurch es zu einer Verbesserung der Lebensqualität kommt.
Auch Herr Müller fühlt sich im Verlauf der Therapie sehr viel wohler. Sein vornehmliches Ziel ist aber eine Gewichtsreduktion. Denn für immer möchte er nicht auf die Maske angewiesen sein.
Dr. med. David Semmler
Facharzt für Innere Medizin und Pneumologe