26. Aug 2021
von Dr. Jamil Nawasrah, Praxis für Gefäßmedizin / Angiologie in der MED
Wenn Schmerzen in den Beinen zum Stehenbleiben zwingen, kann es sich um eine sogenannte Schaufensterkrankheit handeln. In der Gefäßmedizin (Angiologie) wird sie als periphere arterielle Verschlusskrankheit (PAVK) bezeichnet und ist eine Erkrankung der Blutgefäße der Beine, seltener der Arme, bei der es meist durch eine Arterienverkalkung (Arteriosklerose) zu starken Einengungen oder sogar zum kompletten Verschluss von Gefäßen und damit zu Durchblutungsstörungen der Beine (unteren Extremitäten) kommt.
Die Ursache einer PAVK ist in den allermeisten Fällen eine Arteriosklerose. Sehr selten können Verletzungen, Embolien oder Entzündungen der großen Blutgefäße der Grund für die Durchblutungsstörungen sein. Mit zunehmendem Lebensalter, eventueller familiärer Vorbelastung und ungesunder Lebensführung verlieren die Gefäße ihre Elastizität. Zusätzlich verengen sich die Arterien durch Ablagerung von Fett-, Kalk- und Eiweißbestandteilen in der Gefäßwand. Diese sogenannten Plaques verengen den Gefäßinnenraum und schränken den Blutfluss ein.
Zu den Hauptrisikofaktoren für eine Arteriosklerose und damit auch für eine PAVK zählen:
Weitere Risikofaktoren für die Arteriosklerose sind unter anderem:
Weil die Arteriosklerose, die meist die Ursache für die Durchblutungsstörungen der Beine und Arme ist, nicht nur auf diesen Bereich beschränkt ist, sondern sämtliche Gefäße des Körpers betreffen kann, treten Krankheiten wie die Koronare Herzkrankheit (KHK) und Durchblutungsstörungen des Gehirns bis hin zum Schlaganfall oft bei PAVK-Patienten auf. Eine PAVK verringert die Lebenserwartung durchschnittlich um etwa zehn Jahre. Sie ist eine fortschreitende Erkrankung, die nicht heilbar aber aufzuhalten ist.
Je nach Art und Schwere der Symptome teilt man die PAVK nach Fontaine in vier Stadien ein (s. Bild 2).
Im häufigsten Stadium II nach Fontaine (s. Bild 2) müssen betroffene Patienten aufgrund der Schmerzen alle paar Meter stehen bleiben. Zur Ablenkung sehen sie zum Beispiel in ein Schaufenster – auch wenn das Ausgestellte darin für sie gar nicht interessant ist. Nach einigen Minuten Ruhe können sie ihren Weg wieder fortsetzen. Diesem Umstand verdankt die Schaufensterkrankheit ihren Namen.
Typische Zeichen für Durchblutungsstörungen der Extremitäten:
Weitere Symptome können sein:
Zunächst wird der Arzt/die Ärztin nach den Beschwerden fragen. Die Anamnese des Patienten gibt ihm häufig schon erste Hinweise, ob eine PAVK vorliegt. Auch wird nach begünstigenden Risikofaktoren gefragt, um diese ggf. zu behandeln.
Das Ertasten der Pulse an den Beinen und Armen, verschiedene apparative Untersuchungen und insbesondere der Ultraschall geben dem Angiologen Aufschluss über das Vorhandensein bzw. das Ausmaß der Gefäßerkrankung. In unklaren Fällen oder zur Therapieplanung kann auch eine Kernspintomographie (MR-Angiographie) oder Computertomographie (CT-Angiographie) ergänzt werden.
Die Behandlung der PAVK setzt zuallererst an den Risikofaktoren an, diese zu behandeln und im Idealfall auch zu beseitigen (s. Kap. Ursachen und Risikofaktoren). Hier ist die unbedingt notwendige Raucherentwöhnung hervorzuheben.
In allen Stadien der PAVK sollte ein Fortschreiten der Erkrankung durch Medikamente verlangsamt werden. Eingesetzt werden sog. Thrombozytenaggregationshemmer, wie z.B. ASS oder Clopidogrel, die das Verklumpen der Blutplättchen verhindern. Des Weiteren kommen Cholesterinsenker - hierzu zählen die sog. Statine - zum Einsatz, die das Fortschreiten der Arteriosklerose hemmen.
Vor allem im Stadium II der PAVK ist sog. strukturiertes Gehtraining wichtig, um die Ausbildung von Umgehungskreisläufen (Kollateralen) zu fördern. Das Training sollte mindestens dreimal pro Woche für jeweils etwa 30-60 Minuten durchgeführt werden, bis ein leichter Schmerz im betroffenen Körperabschnitt auftritt. Hier sind auch die AVK-Selbsthilfegruppen hervorzuheben. Auch in Mainz gibt es eine AVK-Selbsthilfegruppe, an die sich Patienten mit einer PAVK wenden können. Weitere Informationen finden Interessierte auf der Homepage der Deutschen Gefäßliga (www.deutsche-gefaessliga.de/index.php/gefaesssportgruppen/ avk-selbsthilfegruppen).
Manchmal ist eine Operation unumgänglich, z.B. wenn ein Kathetereingriff nicht möglich ist oder es nicht gelingt, die verschlossene Ader wieder zu eröffnen. Hier gibt es die Möglichkeit einer sogenannten Bypass-Operation, mit der eine Umgehung von langstreckigen Gefäßverschlüssen (engl. „bypass“ = Umleitung) gelingt.
Als Überbrückung dient entweder eine körpereigene Vene aus einer anderen Körperstelle (meist eine oberflächliche Vene aus dem Bein) oder eine Kunststoffprothese.
Als Revaskularisation bezeichnet man die Wiederherstellung einer Durchblutung in Bereichen, in denen sie zuvor durch eine Engstelle oder Verschluss eingeschränkt war. Diese Behandlungsmethoden kommen im Stadium II der PAVK zur Verbesserung der schmerzfreien Gehstrecke und damit zur Verbesserung der Lebensqualität zum Einsatz. In den Stadien III und IV dienen sie der Rettung der Extremität. Dieses kommt einem Infarkt im Bein gleich.
Bei der perkutanen transluminalen Angioplastie (PTA) wird die verengte oder verschlossene Ader mittels eines kleinen Ballons aufgedehnt. Hierbei wird ein mit einem Ballon versehener schlauchförmiger Gefäßkatheter bis zu der verengten Stelle eingeführt.
Geht es um Schlagadern am Bein oder im Becken, wird der Zugang üblicherweise in der Leiste über die dort relativ gut erreichbar liegende Oberschenkelschlagader gewählt.
An der
verengten Stelle bläst der Arzt dann den Ballon auf und dehnt das Gefäß
wieder auf. Manchmal wird ein sogenannter Stent eingesetzt (s. Bild
3+4); dies ist ein kleines röhrenförmiges Gittergerüst aus Metall,
welches die Gefäßwand stabilisieren und vor einem erneuten Verschluss
schützen soll.
In den vergangenen Jahren sind auf diesem Gebiet
unzählige neue Behandlungsmethoden hinzugekommen, die es z.B. heute
möglich machen, Blutgerinnsel „abzusaugen“ oder Verkalkungen
„abzufräsen“. Diese Eingriffe können für den Patienten schonend in
örtlicher Betäubung in der Leiste, ohne Notwendigkeit einer Narkose und
ohne Wundschnitte erfolgen.
Kathetereingriffe gehören von der Planung bis zur Durchführung seit kurzem zu unserem Leistungsspektrum in der Praxis für Gefäßmedizin in der MED. Diese werden im Katheterlabor der Universitätsmedizin Mainz in Kooperation mit der dortigen Angiologie durchgeführt (s. Bild 5). Unsere Patienten profitieren hierbei von der individuellen Betreuung durch den ihnen aus der Praxis vertrauten Arzt und der heimatnahen Versorgung im Herzen von Mainz. Ein in der Regel kurzer stationärer Aufenthalt ist damit verbunden. Auch die Nachbetreuung nach durchgeführtem Eingriff wird ambulant in unserer Praxis durchgeführt.
Wir beraten Sie gern bei all Ihren Fragen rund um dieses Thema in unserer Praxis!