MED Facharztzentrum
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Rückenschmerzen durch Entzündung der Wirbelsäule

14. Sep 2012

Spondyloarthritiden sind rheumatische Entzündungen der kleinen Wirbelgelenke, der Wirbelkörper und der Bänder, welche Wirbelkörper und Bandscheiben verbinden. Diese Entzündungen können zur Versteifung der Wirbelsäule führen. Auch Entzündungen der Arm- und Beingelenke können dabei vorkommen.

Was sind Spondyloarthritiden, woher kommt der Name?

Spondyloarthritiden sind rheumatische Entzündungen der kleinen Wirbelgelenke, der Wirbelkörper und der Bänder, welche Wirbelkörper und Bandscheiben verbinden. Diese Entzündungen können zur Versteifung der Wirbelsäule führen. Auch Entzündungen der Arm- und Beingelenke können dabei vorkommen.

Der Name kommt von Spondylos (Wirbel) und Arthritis.Die bekannteste Spondyloarthritis ist die Bechterew-Krankheit.

Wie häufig ist die Erkrankung?

In Mitteleuropa haben etwa 1 bis 2 % der Menschen eine Spondyloarthritis. Damit ist dies die häufigste entzündlich-rheumatische Erkrankung.

Das Krankheitsbild ist übrigens eine „alte“ rheumatische Krankheit. Schon auf Röntgenbildern von ägyptischen Mumien (im British Museum in London) hat man sie entdeckt.

Wer ist davon betroffen?

Wie bei vielen rheumatischen Erkrankungen gibt es grundsätzlich keine Altersgrenze für den Beginn der Krankheit. Bei Kleinkindern äußert sie sich allerdings kaum wirbelsäulenbezogen. Der Wirbelsäulenbefall kommt erst ab etwa der Pubertät in der typischen Form zustande. Nach dem 40. bis 45. Lebensjahr ist ein erstmaliges Auftreten selten, die meisten älteren Patienten haben die Erkrankung – oft unerkannt – schon viel früher bekommen.

Das Krankheitsbild betrifft also in erster Linie jüngere Menschen; Männer dreimal so oft wie Frauen.

Wann muss man das Krankheitsbild vermuten?

Typisch sind tief sitzende Rückenschmerzen bis in den Gesäßbereich, oft wechselseitig, die zu nächtlichem Aufwachen und Morgensteifigkeit im Kreuz führen. Viele Patienten berichten, dass sie deswegen nach 6 oder 7 Uhr nicht mehr im Bett liegen können. Wir bezeichnen das als „entzündlichen Rückenschmerz“.

Manche Patienten haben die Beschwerden mehr im Brustwirbelsäulenbereich. Dann steht oft ein beengender Brustkorbschmerz im Vordergrund.

Meistens schleicht sich die Beschwerdesymptomatik allmählich ein. Ein akuter Beginn, wie er bei anderen entzündlich-rheumatischen Erkrankungen manchmal vorkommt, ist eher untypisch.

Wie kann sich das Krankheitsbild denn noch äußern?

Am Bewegungsapparat haben die Spondyloarthritiden drei mögliche Erscheinungsbilder, die allein oder zusammen auftreten können. Als Arzt muss man nachfragen, weil ein Patient den Zusammenhang gar nicht vermutet und es nicht spontan berichtet:

Arthritis – an der Wirbelsäule oder den Arm- und Beingelenken
Enthesitis, ein weitgehend unbekannter Begriff: dies meint Sehnenentzündungen und Sehnenansatzreizungen, typischerweise an der Achillessehne

Daktylitis, das ist die diffuse Schwellung eines ganzen Fingers oder einer ganzen Zehe, weil sich die Gelenke, die Sehnen und die Bänder komplett entzündet haben. Das kann massiv schmerzen, manchmal ist der Finger oder die Zehe aber auch ganz schmerzfrei geschwollen.


Typisch ist, wenn diese Symptomatik nach einem Infekt, oft einem Darminfekt mit Durchfall, auftritt. Wir nennen das dann eine „reaktive“ Arthritis. Dann ist die Prognose recht gut, weil die reaktiven Arthritiden in der Regel nach 2-3 Monaten komplett abklingen.

Wonach der Arzt auch fragen muss, sind Auffälligkeiten, die verständlicherweise niemand von vorneherein mit Rheuma verbindet:

Augenentzündungen, typischerweise eine Iritis (Regenbogenhautentzündung)
Darmentzündungen wie M. Crohn oder Colitis ulcerosa
Hautkrankheiten wie vor allem die Schuppenflechte / Psoriasis vulgaris
Entzündungen im Harnwegs- und Genitalbereich, vor allem Prostata- und Harnröhrenentzündungen
und schließlich, ob in der Familie jemand einen steifen Rücken oder eine Schuppenflechte oder eine Darmentzündung hat …

Das kostet Zeit

Die muss man sich als Arzt bei der Erstvorstellung mit der Erhebung der Vorgeschichte eines Patienten nehmen. Man übersieht sonst zuviel und erfasst wichtige Aspekte für die Prognose und eine eventuelle langfristige Beratung nicht. Wenn der Patient Pech hat, ist die Symptomatik ja der Beginn einer lebenslangen, chronischen Erkrankung. 

Untersuchungsbild

Die Zeit zwischen definitiver Diagnosestellung und den ersten Beschwerden liegt übrigens immer noch bei 7 Jahren! Hauptgrund ist, dass ein Arzt zunächst gar nicht vermutet, dass ein jüngerer Mensch mit Rückenschmerzen Rheuma haben könnte. Meist wird auf eine Bandscheibenerkrankung oder ein Haltungsproblem behandelt. Wie oben dargestellt, kann es aber auch tatsächlich kompliziert sein. Ein besonderes Problem ist die Spondyloarthritis bei Frauen, weil die entzündlich-rheumatische Erkrankung bei diesen oft nur ganz tief in den Kreuz-Darmbeingelenken (Iliosakralgelenken) sitzt, die Beweglichkeit der Wirbelsäule meist sehr gut ist und bei jungen Frauen kaum einer an Entzündungsrheuma denkt.

Wenn ein Arzt den Verdacht auf eine Spondyloarthritis hat, worauf muss er achten, wie sieht die Diagnostik aus?

Es ist eine penible Untersuchung der Wirbelsäule und des Bewegungsapparates mit vielen Vermessungen erforderlich, weil diese bei eventuell chronischem Krankheitsverlauf den Ausgangsbefund für die Beurteilung eines künftigen Therapieeffektes darstellen.

Herz abhören – 3 % der Spondyloarthritis-Patienten haben einen Herzfehler.

Haut und Nägel inspizieren – Hinweis auf Schuppenflechte?

Bei schweren Verläufen sind die laborchemischen Entzündungszeichen meist enorm hoch. Bei leichteren Verläufen muss das aber kaum auffällig sein.

Bei über 90 % der Patienten ist das genetische Merkmal HLA-B27 nachweisbar.

Dieses kommt aber auch bei knapp 7 % der Gesamtbevölkerung vor. Der Nachweis ist nur dann hilfreich, wenn jemand Rückenbeschwerden hat. Vorgeschichte, Untersuchungsbefund und Bildgebung müssen auch passen.

Bei der bildgebenden radiologischen Diagnostik der Spondyloarthritiden spielt sowohl das normale konventionelle Röntgen als auch die Kernspintomographie eine entscheidende Rolle. Hier finden sich in der Regel typische Zeichen. Manchmal können derartige radiologisch nachweisbare Veränderungen aber auch fehlen. Dann kann die Diagnose auch anhand von klinischem Bild („entzündlicher Rückenschmerz“) und Labor (HLA-B27 und Entzündungszeichen) gestellt werden.

MRT-Bild

Das Skelettszintigramm hat keinen Platz in der Primär-Diagnostik der Spondyloarthritis. In der entscheidenden Frage der Entzündung der Iliosakralgelenke ist es dem Kernspintomogramm weit unterlegen.

Welche Therapiemöglichkeiten gibt es?

Basis der Behandlung ist die Information und Beratung des Patienten als Grundlage für eine Auseinandersetzung mit einem Krankheitsbild, das ggf. seine private und berufliche Zukunftsplanung beeinflussen wird.

Physikalische Therapiemaßnahmen, in erster Linie die sog. „Bechterew-Krankengymnastik“. Teilnahme an Selbsthilfegruppen.
Einleitung eines Heilverfahrens in einer mit dem Krankheitsbild erfahrenen Rheumaklinik.

Medikation:

Bei einfacheren Krankheitsverläufen:

Es werden kortisonfreie Rheumamittel eingesetzt (NSA = nicht-steroidale Antirheumatika). Am bekanntesten sind Ibuprofen und Diclofenac, aber es gibt weitere, die ebenfalls gut hilfreich sind.

Vorteil: Diese Medikamente, insbesondere Diclofenac, können die Versteifungen der Wirbelsäule verhindern/einschränken.

Nachteil: Blutdruckanstieg, Magenbeschwerden. Ungünstig bei koronarer Herzkrankheit.

Insgesamt: Wegen der möglichen Nachteile möglichst keine kontinuierliche Therapie. Therapiepausen machen.

Kortison-Präparate, in der Regel Prednisolon, haben keinen Platz in der Langzeittherapie!

Grund: u.a. Verstärkung von Osteoporose, die bei der Spondyloarthritis ein Problem sein kann.

Einsatzbereich: Injektionen bei Enthesitis oder kurze Therapie bei Spondyloarthritis-Schub.

Bei ausgeprägterer Spondyloarthritis:

Versuch mit den Basistherapie-Medikamenten Methotrexat und / oder Sulfasalazin, plus nicht-steroidalem Antirheumatikum. Wenn nach 4 bis 6 Monaten keine Besserung -> Therapie beenden, Biological abwägen.


Was sind Biologicals?

Biologicals – zum Einsatz bei der Spondyloarthritis kommen die sog. TNF-alpha-Hemmer – haben die Behandlungsmöglichkeiten phantastisch verbessert. Sie sind seit 1999/2000 im Einsatz. Man hat also schon recht viel Erfahrung, auch im Hinblick auf die Therapiesicherheit.

Es handelt sich um gentechnisch hergestellte Medikamente, die sehr stark wirken.

Haupt-Nebenwirkung ist Infektanfälligkeit, insbesondere für Tuberkulose. Dafür wurde ein Überwachungsprogramm entwickelt, das vor Therapiebeginn durchgeführt wird. Deswegen und wegen des hohen Preises von ca. 20.000.- € im Jahr sind an den Einsatz der Biolocgicals Vorbedingungen geknüpft.

Diese Medikamente werden als Infusionen oder als Spritze unter die Bauchhaut verabreicht. Die Spritzen machen die Patienten nach Einweisung durch die Rheuma-Fachassistentin selbst; die Infusionen erfolgen im gemeinsamen Infusionsbereich der Praxen für Hämatologie/Onkologie und für Rheumatologie in der MED.


Zusammenfassung

  • Die Spondylarthritiden sind die häufigsten entzündlich-rheumatischen Erkrankungen.
  • Sie werden, weil die Symptomatik einerseits oft verkannt wird, andererseits sehr vielschichtig sein kann, oft erst spät festgestellt.
  • Innere Organe, Augen und Haut können beteiligt sein.
  • Die Kernspintomographie hat die diagnostischen Möglichkeiten enorm verbessert.
  • Auch die Behandlungsmöglichkeiten sind seit der Entwicklung der TNF-alpha-Hemmer erheblich besser geworden.
  • Diese Therapie ist allerdings mit Nebenwirkungen behaftet und teuer, deshalb auf Grund von Vorgaben der Krankenkassen an bestimmte Bedingungen geknüpft.
  • Grundlage der Behandlung ist unverändert die Krankengymnastik und der Einsatz von nicht-steroidalen Antirheumatika wie Ibuprofen, Diclofenac o.ä.


Dank der in der MED gegebenen Möglichkeiten der kurzen Wege kann die gesamte Diagnostik und Behandlung mit Untersuchung, Beratung und Labor in der Rheumapraxis, Bildgebung in der Praxis für Radiologie sowie ggf. Therapie in der Praxis für Hämatologie/Onkologie an einem Ort erfolgen; ebenso eine eventuelle Umfelddiagnostik in der Gastroenterologie und Kardiologie.


Dr. Frank TrautmannAutor:
Dr. Frank Trautmann | Facharzt für Innere Medizin und Rheumatologie





Bildquellen: iStockphoto (c) kemie, Praxis Dr. Trautmann

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