29. Aug 2021
von Dr. Alexander Hauber, Kardiologe
Frau Keller hat niedrigen Puls. Frau Keller geht es in letzter Zeit nicht gut. Sie kann sich nicht mehr richtig belasten und kommt beim Treppensteigen und Bergangehen sofort außer Atem. Manchmal wird ihr schwindelig und sie hat das Gefühl, gleich das Bewusstsein zu verlieren.
Außerdem ist ihr aufgefallen, dass ihr Puls sehr niedrig ist, zeitweise liegt er sogar nur bei 40 Schlägen in der Minute. Frau Keller ist deswegen zum Hausarzt gegangen, der ein EKG geschrieben hat, das auffällig gewesen ist. Der Hausarzt hat Frau Keller eilig in die CardioPraxis überwiesen. Er meint, dass möglicherweise ein Herzschrittmacher eingesetzt werden müsse.
Das Herz muss bei allen Menschen pausenlos schlagen, um die Zellen der Muskeln und Organe mit Blut und dem darin enthaltenen Sauerstoff zu versorgen. Die Herzfrequenz liegt in Ruhe normalerweise zwischen 60 und 100 Schlägen pro Minute, insgesamt schlägt es ca. 100.000 mal am Tag. Schon wenn das Herz für 5 Sekunden stehen bleibt, können die Gehirnzellen wegen Sauerstoffmangel nicht mehr richtig arbeiten und der Mensch verliert das Bewusstsein. Der Taktgeber des Herzens ist der so genannte Sinusknoten. Er sendet regelmäßig elektrische Impulse aus, die sich über alle Herzmuskelzellen ausbreiten. Wenn die Herzmuskelzellen elektrisch erregt sind, ziehen sie sich zusammen und pumpen das Blut weiter.
Das Herz besteht aus 4 Herzhöhlen: Zwei Vorhöfe und zwei Hauptkammern. Für eine regelrechte Herzfunktion müssen zunächst die Vorhöfe die Hauptkammern mit Blut befüllen. Erst wenn das passiert ist, sollen die Hauptkammern das Blut in den Kreislauf befördern. Um dieses Zusammenspiel zu ermöglichen, breitet sich die elektrische Erregung vom Sinusknoten kommend über die Vorhöfe aus und wird dann über eine Art Stromkabel von den Vorhöfen auf die Hauptkammern übergeleitet. Man spricht dabei von der AV-Überleitung (A=Atrium, lateinisch für Vorhof, V=Ventrikel, lateinisch für Kammer).
Das Stromkabel zwischen Vorhöfen und Hauptkammern kann sich im Lauf des Lebens abnutzen. Es leitet dann nicht mehr alle elektrischen Impulse auf die Kammer über. Das führt dazu, dass das Herz langsamer schlägt, als es vom Taktgeber vorgegeben wird und für den Kreislauf notwendig wäre. Der Körper bekommt zu wenig Blut und Sauerstoff, was zu Luftnot und eingeschränkter Belastbarkeit führt. Die Überleitungsstörung kann auch zu längeren Pausen des Herzschlags führen, dann bekommt man Schwindel und im Extremfall einen Ohnmachtsanfall.
Bild 1 (siehe unten): Das EKG von Frau Keller. Mit den roten Pfeilen sind die Vorhofaktionen gekennzeichnet, die vom Taktgeber, dem Sinusknoten, elektrisch ausgelöst werden. Normalerweise müsste jede Vorhofaktion eine Kammeraktion (grüne Pfeile) nach sich ziehen. Tatsächlich wird hier aber nur jede zweite Vorhofaktion auf die Kammer übergeleitet, was AV-Block genannt wird. Das Herz schlägt dadurch viel zu langsam.
Medikamente, die die elektrische Leitung zwischen Vorhof und Kammer verbessern, gibt es nicht. Bis zur erstmaligen Einpflanzung eines Herzschrittmachers 1958 konnte diese Erkrankung nicht behandelt werden und führte zuzunehmender allgemeiner Schwäche und letztlich zum Tod des Patienten. Heutzutage ist der AV-Block mit einem modernen Herzschrittmacher problemlos zu beheben.
Es wird ein Gerät implantiert, das ein Kabel im Vorhof und ein Kabel in der Hauptkammer hat. So kann der Herzschrittmacher erkennen, wie schnell der Taktgeber den Vorhof stimuliert und dann in der Hauptkammer einen dazu passenden elektrischen Impuls abgeben. Die natürliche Funktion mit Zusammenspiel von Vorhof und Hauptkammer ist damit wiederhergestellt und dem an AV-Block erkrankten Patienten geht es wieder gut.
In der Cardio-Praxis wird
das Herz von Frau Keller mit EKG und Ultraschall untersucht. Im
Ultraschall ist alles in Ordnung, eine Herzschwäche oder ein
Herzklappenfehler bestehen nicht. Im EKG bestätigt sich die Vermutung
des Hausarztes. Es liegt eine elektrische Leitungsstörung vor, die mit
einem Herzschrittmacher behandelt werden muss. Frau Keller wird über den
Eingriff aufgeklärt und es wird zur Vorbereitung Blut abgenommen. Sie
muss erst am Tag des Eingriffs ins Haus 401K in der Uniklinik kommen, wo
die Cardio-Praxis ihren Operationssaal hat.
Den Eingriff wird
einer der beiden Schrittmacherspezialisten Dr. Guido Mentz oder Dr.
Sebastian Sonnenschein in örtlicher Betäubung vornehmen, eine
Vollnarkose ist nicht notwendig. Danach muss sie nur einmal in der Klinik übernachten und kann schon wieder nach Hause.
Bild 2: Röntgenbild von Frau Keller. Herzschrittmacher unterhalb des rechten Schlüsselbeins (weißer Kreis), eine Elektrode im Herzvorhof (grüner Kreis), eine Elektrode in der Hauptkammer (roter Kreis).
Frau Keller fühlt sich wie neu geboren. Ihr Herz schlägt dank des Herzschrittmachers nicht mehr zu langsam, die Luftnot und der Schwindel sind wie weggeblasen. In Zukunft wird sie das Gerät einmal jährlich in der Cardio-Praxis kontrollieren lassen. Als großen Vorteil empfindet sie es, dass die Ärzte, die die Leitungsstörung diagnostiziert und mit dem Schrittmacher behoben haben, sich jetzt auch um die Nachsorge kümmern. Frau Keller bekommt also die ganze Betreuung aus einer Hand. Zehn Jahre wird die Batterie halten, dann muss ein neues Gerät implantiert werden. Ansonsten kann Frau Keller mit dem Herzschrittmacher normal weiterleben und muss sich im Alltag nicht einschränken.