19. Mär 2012
„Mein Kind hat ein Loch im Herzen“, mit dieser zunächst erschreckenden Nachricht werden die Eltern teilweise schon nach der Geburt oder im Laufe der Kindheit konfrontiert.
Vorhofseptumdefekt im Kindesalter - Diagnose und Therapie
„Mein Kind hat ein Loch im Herzen“, mit dieser zunächst erschreckenden Nachricht werden die Eltern teilweise schon nach der Geburt oder im Laufe der Kindheit konfrontiert.
Im folgenden wird gezeigt, dass ein Loch im Herzen nicht immer eine bedrohliche Erkrankung ist. Diese kann in den meisten Fällen durch eine entsprechende nichtinvasive Therapie ohne Operation am offenen Herzen behoben werden. Die Kinder sind im täglichen Leben normal belastbar, ein nochmaliger Eingriff ist nicht nötig.
Angeborene Herzfehler gehören zu den häufigsten angeborenen Fehlbildungen (0,8-1%), der Vorhofseptumdefekt (Loch zwischen den beiden Vorkammern, Abb.1a-c), kommt bei 10-12% aller Herzfehler vor. Oft werden die Defekte erst später entdeckt, da nicht immer schon nach der Geburt ein Geräusch gehört wird.
Beim Vorhofseptumdefekt (ASD) besteht ein Loch zwischen den beiden Vorkammern, wobei der Defekt meist im Bereich der Fossa ovalis (ASD vom secundum-Typ, 70% aller ASD ) lokalisiert ist. Manche Defekte liegen auch klappennah oder nahe dem Vorhofdach im Bereich der Einmündung der Lungenvenen.
Meist fällt bei einer Vorsorgeuntersuchung oder einem Infekt zunächst ein eher harmlos erscheinendes Nebengeräusch auf, bei manchen Kindern mangelnde Belastbarkeit, schnelle Erschöpfung oder Ermüdung, Kurzatmigkeit, rezidivierende Infekte der oberen Luftwege. Aufgrund des fehlenden oder nur leisen Geräusches und dem oft symptomlosen Verlauf wird der ASD nicht selten erst im Schulalter oder bei Jugendlichen gefunden. Manchmal wird er auch erst im Erwachsenenalter diagnostiziert, wenn Rhythmusstörungen, Schlaganfälle oder Synkopen auftreten.
Herzgeräusche werden in der Kinder– und Jugendkardiologischen Praxis abgeklärt, wobei vom Neugeborenen bis zum Jugendlichen alle Altersklassen untersucht werden. Nach Überweisung durch den Kinder- oder Hausarzt erfolgt eine spezialisierte kinderkardiologische Untersuchung. Nach sorgfältiger Erhebung der eigenen und Familienanamnese erfolgt eine körperliche Untersuchung mit Auskultation (Abhören) des Herzens, Messung des Blutdruckes an Arm und Bein, pulsoximetrische transcutane unblutige Bestimmung der Sauerstoffsättigung, (Abb.2a/b).
Anschließend wird ein EKG (Elektrokardiogramm) abgeleitet, wobei die Herzströme abgeleitet werden. Dabei wird die Höhe der Herzfrequenz bestimmt, Herzrhythmusstörungen und Belastungszeichen werden dargestellt. Charakteristisch für einen ASD II ist eine Verzögerung im EKG, ein inkompletter Rechtsschenkelblock (Abb.3a/b).
Die wichtigste Untersuchung zur Darstellung eines Vorhofseptumdedektes (ASD) ist die Farbdopplerechokardiographie. (Abb.4).
Mittels spezieller hochsensitiver Ultraschallgeräte mit Farbe und Doppler und Schallköpfen für alle Größen und Gewichtsklassen wird der Defekt im Vorhofbereich dargestellt, zum Teil auch im 3D-Verfahren. Normalerweise sind Kammer und Vorhofseptum geschlossen (Abb. 5 ).
Typischerweise sind beim ASD die rechte Herzkammer (RV) und Vorkammer (RA) vergrößert. Die Lage des Defektes wird dargestellt. In Farbe deutlicher Shunt (Blutfluss) über den ASD vom linken in den rechten Vorhof und über den rechten Ventrikel in die Lungenschlagader. Im letzten Bild ganz links die neueste 3D-Farbecho-Darstellung (Abb.6a-d).
Gelegentlich müssen ein TEE (Schluckecho) und/oder Kontrast-Echo erfolgen, in Einzelfällen ein Cardio-MRT (Kernspintomographie). Nur selten noch ist ein Röntgenbild (Abb.7) des Thorax nötig, dabei vergrößertes Herz und vermehrte Lungengefäßzeichnung.
Der Defekt wird vermessen, Begleitfehlbildungen wie fehlmündende Lungenvenen werden ausgeschlossen. Mittels der genannten Verfahren wird entschieden, ob ein Defekt für einen interventionellen Verschluß mit einem Schirmchen geeignet ist.
Bei einer bestimmten Defektgröße und bedeutsamem Shunt erfolgt bei gutem Gedeihen und ansonsten unauffälliger Entwicklung in der Regel der Verschluß des Defektes im Vorschulalter. Früher war nur ein operativer Verschluß des Defektes durch eine Eröffung des Brustkorbes und eine Operation am offenen Herzen mit Herz- Lungen-Maschine möglich. Kleinere Defekte werden direkt, größere Defekte mittels eines Flickens (Patch) aus dem Herzbeutel oder Kunststoff (Dacron) verschlossen (Abb.8).
Eine Operation am offenen Herzen bedingte einen 2-3 wöchigen Klinikaufenthalt und eine mediane Thorax-Narbe.
Interventioneller ASD-Verschluß mit Schirmchen
Inzwischen kann bei rund 80% aller mittigen Defekte im Vorhofbereich ein interventioneller Verschluß erfolgen. Dafür stehen eine große Auswahl an verschiedenen Verschluß-Systemen zur Verfügung, hier eine kleine Auswahl (Abb.9).
Dabei wird bei einer Herzkatheteruntersuchung über die Leistenvene unter Röntgen/Echo-Kontrolle die genaue Lage und Größe des Defektes bestimmt und ein Doppelschirmchen (Abb.10a/b) in den Defekt vorgeschoben und entfaltet. Damit wird der Defekt verschlossen. Nachdem die korrekte Lage des Schirmchens kontrolliert ist, wird der Führungskatheter entfernt. Nach Defektverschluß kann meist am 3. Tag die Entlassung erfolgen.
Bei den Folgekontrollen in unserer Praxis werden u.a. die korrekte Lage des Schirmchens, ein eventueller Rest-Shunt und die Herzfunktion dargestellt (Abb.11a-c). Nach wenigen Tagen kann das Kind wieder die Schule besuchen und Sport betreiben.
Ein weiterer Eingriff ist in der Regel nicht notwendig. Die vergrößerte rechte Herzkammer verkleinert sich, Klappenundichtigkeiten bilden sich zurück. Die Belastbarkeit des Kindes verbessert sich. Die Lebenserwartung ist normal. Kleinere Defekte werden nicht verschlossen und machen in der Regel keine Probleme.
Autor:
Dr. Mathias Ertel, Kinder und Jugendkardiologe | Kinderkardiologische Praxis Mainz | Facharztausbildung an der Universitätsklinik Mainz und am Herzzentrum NRW Bad Oeynhausen
Bildnachweis: Einige Abbildungen wurden von St. Jude Medical zur Verfügung gestellt, die Acrylbilder des Herzens in unserer Praxis von Mechtild Künstler gemalt.