19. Mär 2012
Ab einem Durchmesser von 3 cm wird definitionsgemäß von einem Bauchaorten-Aneurysma gesprochen. Männer sind 7 x häufiger betroffen als Frauen.
Eine häufig nicht erkannte, gefährliche Erkrankung der Körper-Hauptschlagader
Der Physiker und Nobelpreisträger Albert Einstein starb am 18. April 1955 im Alter von 76 Jahren an den Folgen einer geplatzten Erweiterung der Bauchschlagader (abdominelle Aorta). Man hatte zunächst eine Gallenblasen-Entzündung vermutet, bei der Obduktion fand man jedoch ein geplatztes (rupturiertes) Bauchaorten-Aneurysma. Auch der Schriftsteller Thomas Mann verstarb im gleichen Jahr an derselben Erkrankung.
Als Aneurysma bezeichnet man die spindelförmige oder sackförmige Ausweitung einer Schlagader (Arterie). In Abhängigkeit von der Größe besteht die Gefahr einer Ruptur des Aneurysmas. Am häufigsten lokalisiert sind Aneurysmen im Verlauf der Bauchaorta (Aorta abdominalis) unterhalb der Abgänge der Nierenarterien.
Der Durchmesser der abdominellen Aorta ist abhängig von Alter, Geschlecht sowie von der Körpergröße. Er nimmt mit Alter und Körpergröße zu, weiterhin haben Männer einen größeren Aorten-Durchmesser als Frauen.
Abb. 3 a und b Aortenaneurysma Querschnitt und Längsschnitt
Als Normwert bis zum 55. Lebensjahr gilt ein Aortendurchmesser unterhalb der Nieren (infrarenal) gemessen von 1,5 – 2 cm. Ab einem Durchmesser von 3 cm wird definitionsgemäß von einem Bauchaorten-Aneurysma gesprochen. Die Häufigkeit eines Aortenaneurysmas beträgt bei Männern zwischen 45 und 54 Jahren ca. 1,3 %, zwischen dem 70. und 75. Lebensjahr bis zu 8,5 % und steigt im höheren Lebensalter noch weiter an. Männer sind von der Erkrankung 7 x häufiger betroffen als Frauen. Weiterhin sind familiäre Häufungen bekannt.
Abb. 2 normal weite Bauchaorta
Die häufigste Ursache für die Entstehung eines Aneurysmas ist eine degenerative Veränderung des Bindegewebes in der mittleren und äußeren Schicht der Arterienwand. Das Gefüge der Kollagenfasern lockert sich, weiterhin nehmen die elastischen Rückstellkräfte ab. Die Folge ist eine Ausbeulung der Schlagader.
Seltenere Ursachen sind erbliche Bindegewebserkrankungen, wie das Marfan-Syndrom oder das Ehlers-Danlos-Syndrom. Der wichtigste kardiovaskuläre Risikofaktor für die Entstehung und die Progression eines Aortenaneurysmas ist das Zigarettenrauchen. Auch ein erhöhter Blutdruck beschleunigt das Größenwachstum eines Aortenaneurysmas.
Normalerweise ist der Patient mit einem Aortenaneurysma beschwerdefrei. Erst bei großen Aneurysmen können Rückenschmerzen durch Nervenkompression oder Verdrängungserscheinungen der Bauchorgane auftreten. An der Wand eines Aneurysmas kommt es häufig zur Ablagerung von Blutgerinnseln, die normalerweise fest an der Gefäßwand haften. Diese können bei Ablösung mit dem Blutstrom in die Beinarterien oder Zehenarterien gespült werden und dort akute Durchblutungsstörungen hervorrufen.
Beim Platzen eines Aortenaneurysmas kommt es in der Regel zu akuten, sehr starken Bauchschmerzen, die oft mit einem Kreislaufkollaps verbunden sind.
Bei der körperlichen Untersuchung können große Aneurysmen durch eine tastbare, verstärkte Pulsation der Bauchdecke in Erscheinung treten. Normalerweise wird ein Aortenaneurysma jedoch als Zufallsbefund bei einer Ultraschall-Untersuchung oder einem CT oder MRT des Bauchraumes entdeckt.
Abb. 4 Angiographie Aortenaneurysma
Die diagnostische Methode der Wahl ist die Ultraschall-Untersuchung, idealerweise in farbkodierter Technik. Ohne Strahlenbelastung und ohne Kontrastmittel können Durchmesser sowie Längsausdehnung des Aneurysmas ermittelt werden. Bei bekannten Aortenaneurysmen sollten Ultraschall-Verlaufskontrollen in 6-monatigen Abständen erfolgen. Bei unklarem Befund sowie zur Operationsplanung sind weitere bildgebende Verfahren (Computertomographie, Kernspintomographie, Kontrastmitteldarstellung der Gefäße) erforderlich.
Wichtig ist bei allen Aneurysma-Patienten eine sorgfältige Einstellung und Kontrolle des Blutdruckes. Die Blutdruckwerte sollten dauerhaft unter 130/80 mmHg liegen. Weiterhin von großer Bedeutung ist die Einstellung des Rauchens, da bei fortbestehendem Nikotinabusus die Größenzunahme eines Aneurysmas beschleunigt wird. Ab einem Durchmesser von 5 cm oder bei einer Größenzunahme von mehr als 1 cm pro Jahr ist das Risiko des Platzens (Ruptur) des Aneurysmas deutlich erhöht. Im Falle einer Aneurysma-Ruptur sind selbst bei einer Notoperation die Überlebens-Chancen nur gering.
Zur Ausschaltung des Aneurysmas stehen 2 Möglichkeiten zur Verfügung: die offene gefäßchirurgische Behandlung oder eine kathetergestützte Therapie.
Bei der offenen chirurgischen Behandlung erfolgt der Zugang über einen Bauchschnitt in der Mittellinie oder über die linke Flanke. Das Aneurysma wird eröffnet und es wird eine Kunststoff-Gefäßprothese aus Dacron oder PTFE als Überbrückung eingesetzt. Die Prothese wird am oberen und unteren gesunden Arteriensegment angenäht, der verbleibende Aneurysmasack wird über der implantierten Gefäßprothese vernäht. Der Gefäßersatz kann eine Rohrprothese sein oder Y-förmig gestaltet sein. Die sog. Y-Prothese ist erforderlich, wenn das Aneurysma die Aortengabelung oder die Beckenarterien mit
einbezieht. Bei der kathetergestützten Therapie wird über die Leistenarterie und ein Kathetersystem eine sogenannte Stentprothese unter Röntgenkontrolle in das Aneurysma eingebracht und dort freigesetzt. So dichtet die Stentprothese das Aneurysma gewissermaßen von innen ab. Für diese Therapie müssen bestimmte anatomische Voraussetzungen erfüllt sein, so dass nicht alle Aortenaneurysmen für diese Behandlungsmethode geeignet sind.
Abb. 5 Y-Prothese sowie Abb. 6 Ao-Stentprothesen
Die offene chirurgische Therapie ist mit einer Vollnarkose von 3-5 Stunden verbunden. Von Vorteil ist, dass nach erfolgreicher offener chirurgischer Therapie Zweiteingriffe nur selten erforderlich sind.
Die kathetergestützte Behandlung eines Aortenaneurysmas erfolgt in der Regel ebenfalls in Vollnarkose. Die Rate von Komplikationen am Herzen während des Eingriffs ist im Vergleich zur Operation geringer. Ein Nachteil der kathetergestützten Behandlung liegt in der häufigeren Notwendigkeit von Zweiteingriffen.
Die Vorteile des kathetergestützten Vorgehens gegenüber der Operation liegen in einer deutlich kürzeren Narkosedauer, dem Fehlen eines Bauch- oder Flankenschnittes und einer rascheren Erholung nach dem Eingriff.
Autor:
Dr. Helmut Kopp, Facharzt für Innere Medizin und Angiologie Praxis für Gefäßmedizin MED-Facharztzentrum
Bildnachweise: Wir danken Firma JOTEC GmbH, 72379 Hechingen, für die Genehmigung der Abbildung der Aorten-Stentgrafts sowie der Y-Prothese.