15. Jun 2023
Osteoporose betrifft ca. 10 Millionen Menschen in Deutschland und erfordert eine differenzierte diagnostische Abklärung, um die geeignete Therapie festzulegen. Prof. Dr. Christian Wüster aus Mainz unterstützt Sie gerne dabei.
Osteoporose ist die häufigste Knochenstoffwechselerkrankung (metabolische Osteopathie). Sie ist charakterisiert durch das Auftreten von Frakturen am Unterarm, der Wirbelsäule oder Hüfte und entsteht durch zu wenig und/oder qualitativ zu schlechter Knochensubstanz. Man geht zurzeit von ca. 10 Millionen Betroffenen in Deutschland aus.
Differentialdiagnostisch sind sekundäre Ursachen einer Osteoporose auszuschließen, wie z.B. Osteoporose bei gastrointestinalen Erkrankungen, Osteoporose bei Patienten, die mit Cortison behandelt werden oder Osteoporose nach Krebserkrankungen. Die primären Osteoporosen gliedern sich dann in die sogenannten high-turnover Osteoporosen mit erhöhtem Knochenabbau und in die sogenannten low-turnover Osteoporosen mit vermindertem Knochenanbau.
Die low-turnover Osteoporose findet sich insbesondere bei der juvenilen idiopathischen Form, bei der senilen Form der Osteoporose und bei Männern sowie nach Glucocorticoid- Therapie und bei Immobilisation.
Die Diagnose wird gestellt durch Anamnese (insbesondere Frakturanamnese), Messung der Knochendichte, Auswertung von MRT- und/oder Röntgenbildern sowie einer differentialdiagnostischen Abklärung mittels Differentiallabor inklusive Laboruntersuchungen des Calcium- und Knochenstoffwechsels. In Einzelfällen sind auch molekularbiologische Untersuchungen nötig.
Nach dem Schweregrad des Stadiums der Osteoporose richtet sich die Stärke der Therapie. Patienten, die „nur“ eine erniedrigte Knochendichte ohne Frakturen haben, werden je nach Risikoprofil entweder nur mit „knochenfreundlicher“ Basistherapie behandelt, Patienten mit multiplen „großen“ Osteoporose-assoziierten Frakturen brauchen zusätzlich hochaktive Knochenaufbau-Medikamente.
Osteoporose ist weltweit eine der wenigen Erkrankungen, die noch progredient sind, d.h. deren Häufigkeit zunimmt, während dessen die meisten anderen Volkskrankheiten von der Inzidenz her weniger häufig auftreten. Dies liegt daran, dass die Menschen durch den medizinischen Fortschritt immer älter werden und daher Patienten die durch Osteoporose entstehenden Probleme überhaupt erleben können.
Besonders in der Geriatrie ist Osteoporose ein immer häufig werdendes Problem, die Schenkelhalsfraktur ist häufig das 1. Ereignis, was das sogenannte Kartenhaus beim Menschen zusammenbrechen lässt.
Diese Fraktur bringt den Patienten in die Klinik, wo durch Komplikationen gehäuft Pflegebedürftigkeit bzw. sogar erhöhte Mortalität folgen. Bei 90-jährigen liegt die Mortalität inzwischen im 1. Jahr bei >50 %.
Die Häufigkeit der Erkrankung wird in Deutschland auf 10 Millionen Erkrankte geschätzt. Unterschiede in der epidemiologischen Bewertung, den Inzidenzen und Prävalenzen liegen an Definitionen und der Frage, ob dies auf Radius-, Wirbelkörper- und Schenkelhalsfrakturen oder auch Patienten mit erniedrigter Knochendichte fokussiert.
Osteoporose kommt in allen Lebensaltern vor. Ein Knochenverlust mit zunehmendem Alter ist „normal“ (Abb.1). Das Problem ist, beim einen geschieht dies schneller und früher als beim anderen Menschen. Tritt der Knochenverlust früher und schneller auf, brechen dann irgendwann die Knochen bei geringer Belastung oder spontan.
Abb. 2 zeigt den Verlauf der Knochenmasse mit dem Alter und Möglichkeiten der Osteoporose-Entwicklung. Wie man sieht, ist Osteoporose eine „Kinderkrankheit“.
Abb. 3 zeigt schematisch zwei Knochenumbaueinheiten. Die linke Hälfte der Abbildung demonstriert die Regulation der knochenaufbauenden Osteoblasten und knochenabbauenden Osteoklasten durch Sklerostin, einem Botenstoff, der in Osteozyten gebildet wird und dort u.a. durch Bewegung gehemmt wird. Dadurch kommt es zu einem geringeren Knochenabbau und einer Steigerung des Knochenanbaus. Die rechte Hälfte der Abbildung demonstriert die Wirkung einer medikamentösen Therapie mit der man die Osteoblasten stimuliert und/oder die Osteoklasten hemmt (siehe Details im Kapitel medikamentöse Osteoporose-Therapie).
Man unterscheidet die jugendlichen Osteoporosen, die postmenopausale und die senile Form der Osteoporose. In der Vergangenheit wurde ein vermehrtes Augenmerk auf die Postmenopausen-Osteoporose bei der Frau gelegt. Hierbei kommt es durch den abrupten Östrogenmangel zu einer gesteigerten Interleukin-6-Bildung, die die Osteoklastenaktivität stimuliert.
Dieser sogenannte high-turnover ist gekennzeichnet und assoziiert durch eine negative Calciumbilanz, wobei die vermehrte Osteoblastenaktivität die vermehrte Osteoklastenaktivität nicht in vollen Umfang ausgleichen kann. Ein Drittel aller Osteoporose treten aber auch bei Männern auf, hier sind die Hauptursachen das Alter, ein relativer Testosteronmangel oder häufig eine Langzeittherapie mit Glukokortikoiden.
Bei der senilen Osteoporose (>65 Jahre) führen sowohl das Alter, die verminderte Mobilität, die verminderte Muskelmasse (die sog. Sarkopenie des Alters), als auch eine schlechtere Ernährung sowie eine relative Vitamin-D-Hormonresistenz zu einer Reduktion der Knochenanbaurate.
Die Osteoblasten-Insuffizienz (low-turnover) des älteren Menschen erscheint einer der Alterungsprozesse dieser knochenaufbauenden Zellen zu sein. Mangel an Eiweiß, Calcium und/oder Vitamin-D (häufig durch falsche Ernährung) kommen weiterhin als Risikofaktoren des älteren Menschen zur Osteoporose-Entstehung hinzu.
Die low-turnover-Osteoporose ist die weitaus häufigste Form der Osteoporose, epidemiologische Schätzungen gehen davon aus, dass 75% aller Osteoporose-Patientinnen (ca. 7,5 Mio. Frauen) und 90% aller Männer mit Osteoporose einen low-turnover haben. Hinzu kommt die Sarkopenie des älteren Menschen, d.h. die Abnahme der Muskelmasse mit dem Alter.
Es gibt eine Reihe von endokrinologischen Erkrankungen, die bei Osteoporose auszuschließen sind. Dies sind der Hypogonadismus, der Glucocorticoidexzeß, der Hyperpa- rathyreoidismus, die Hyperthyreose, hämatologisch-onkologische Erkrankungen, gastroenterologische Erkrankungen (Zöliakie, M. Crohn, Colitis ulcerosa u.a.) und chronisch entzündliche Erkrankungen, weswegen immer eine differentialdiagnostische Abklärung bei Patienten mit Osteoporose erfolgen muss. Eine Liste aller sog. „sekundärer“ Osteoporosen findet sich in Tabelle 1.
ALLGEMEINE RISIKOFAKTOREN:
Proximale Femurfraktur bei Vater oder Mutter
Multiple unwillkürliche Stürze oder hohes Sturzrisiko
Immobilität über längeren Zeitraum
FRAKTURANAMNESE:
Welcher Knochen ist gebrochen?
Frakturen von Wirbelkörper, Schenkhals, Radius und Humerus werden als sog. „große“ (major) Osteoporose-Frakturen angesehen
Frakturen von Zehen, Mittelfuß, Tibia, Rippen, Schädel, Knöchel etc. werden als sog. „kleine“ (minor) Osteoporose-Frakturen angesehen
„Große“ Frakturen haben ein deutlich höheres Risiko für Folgefrakturen als „kleine“.
„Große“ Frakturen sind immer eine absolute Indikation für eine medikamentöse Therapie unabhängig von der Höhe der Knochendichte
50% der Patienten mit „großen“ Osteoporose- Frakturen haben eine relativ normale Knochen- dichte, dennoch besteht absolute Therapie- Notwendigkeit zur Prävention weiterer Frakturen
War dies die erste Fraktur im Leben?
Wie ist die Frakturfrequenz?
Sturzanamnese, Sturzfrequenz
Ort des Sturzes: häuslich, außer Haus
Medikamenteneinfluss auf Sturzereignis
WEITERE RISIKOFAKTOREN
bzw. sekundäre Erkrankungen, die zu Osteoporose führen, sind in Tab. 1 aufgelistet.
Prof. Dr. med. Dr. h.c. Christian Wüster
Facharzt f. Innere Medizin/ Endokrinologie, Osteologie
MED Facharztzentrum,
Hormon- & Stoffwechselzentrum,
Prof. für Osteologie (Univ. Mainz)