MED Facharztzentrum
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Medikamentöse Therapie der Manifesten Osteoporose

19. Jan 2022

Teil 2: Medikamentöse Therapie zur Hemmung von neuen bzw. weiteren Frakturen (Reduktion der Frakturrat

Osteoporose

Es gibt Medikamente, die verhindern können, dass Knochenbrüche auftreten oder neue Brüche hinzukommen. Diese Medikamente hemmen entweder den Knochenabbau oder stimulieren den Knochenaufbau. Diese Medikamente müssen über Jahre bis Jahrzehnte eingenommen werden.

Über die Knochenabbauhemmenden Präparate wurde in den letzten Teilen der MED News berichtet, hier nun abschließend der Bericht über die Möglichkeiten der knochenaufbau-stimulierenden medikamentösen Therapiemaßnahmen bei manifester Osteoporose.

1. Medikamente zur Unterstützung des Knochenanbaus (Knochenanabolika)

Es gibt mehrere verschiedene Medikamente, die den Knochenanbau stimulieren:

  • Teriparatid (PTH1-34)
  • Romosozumab
  • Abaloparatid
  • Fluoride, Anabolika, Wachstumshormon


1.1. Teriparatid (PTH1-34)

1.1.1. Wirkmechanismus von Teriparatid

Teriparatid (PTH 1-34) ist das N-terminale Bruchstück des menschlichen Nebenschilddrüsenhormons (Parathormon = PTH). Dieses Hormon ist ein Eiweißmolekül (Protein) und muss täglich mit Hilfe einer Injektionshilfe s.c. (unter die Haut) injiziert werden. Es wirkt über den PTH-Rezeptor und stimuliert den Knochenumbau. Zunächst kommt es zu einer Aktivierung der Osteoblasten (knochenaufbauenden Zellen) und erst später auch zu einer Osteoklastenaktivierung (knochenabbauenden Zellen). Anders als bei der Erkrankung des primären Hyperparathyreoidismus (pHPT), bei der es 24 Stunden pro Tag zu einer vermehrten Ausschüttung des PTHs aus einer autonomen Nebenschilddrüse kommt und dadurch zur Osteoklastenaktivierung und Osteoporose, bewirkt die Teriparatidtherapie mit kurzzeitiger Stimulation der Osteoblasten einen Knochenaufbau. Dies zeigt, wie wichtig die Rezeptorbindung bei der Hormonwirkung ist. Eine kurzzeitige Stimulation des PTH-Rezeptors durch Teriparatid führt zur Heilung der Osteoporose, die Dauerstimulation zur Entwicklung einer Osteoporose. Teriparatid ist unter folgenden Arzneimittelnamen im Handel: Forsteo®, Movymia® und Terrosa® , Livogiva®, Teriparatid Heumann®.

1.1.2. Wirkungen von Teriparatid

Eine Therapie der manifesten Osteoporose mit multiplen Wirbelkörperfrakturen mit Teriparatid führt zu einer drastischen Reduktion der Frakturrate, d.h. ohne Behandlung haben solche Patienten ein hohes Risiko viele weitere Knochenbrüche in kurzer Zeit zu erleiden, durch die Teriparatidtherapie wird dieses Risiko um 60% gesenkt, während es durch eine Bisphosphonattherapie nur zu ca. 30% gesenkt würde. Der Grad der Senkung der Frakturrate durch Teriparatid hängt dabei vermutlich vom initialen Knochenumbau ab, d.h. Patienten mit erniedrigtem Knochenumbau sprechen besser auf Teriparatid an als Patienten mit erhöhtem Umbau. Der Knochenumbau wird durch Teriparatid deutlich gesteigert, was durch erhöhte Konzentrationen der BTM im Blut dokumentiert wird. Diese BTM-Steigerung wird mit steigender Dauer der Therapie weniger, vermutlich weil der Knochen „gesättigt“ ist. Daher wird die Teriparatidtherapie des Knochens auch nur maximal 24 Monate durchgeführt. Die Knochendichte wird durch Teriparatid nur leicht erhöht.

Eine initiale Behandlung mit Teriparatid ist inzwischen zugelassen und medizinisch sinnvoll. Es muss und sollte keine Vorbehandlung mit einem Bisphosphonat erfolgen.

Nach Beendigung des 2-Jahres-Zeitraumes der Teriparatidbehandlung sollte eine weitere medikamentöse Therapie folgen. Dies ist zumeist eine antiresorptive Therapie mit Bisphosphonaten oder Denosumab.

1.1.3. Nebenwirkungen von Teriparatid

Wie bei allen Therapeutika, die injiziert werden, so kann es auch bei Teriparatidinjektionen zu lokalen Reizungen an der Einstichstelle der Haut kommen. Diese sind im Wesentlichen durch das Lösungsmittel und nicht durch den Wirkstoff bedingt. Bei Teriparatid handelt es sich ja eigentlich um einen physiologischen Wirkstoff, also um eine körpereigene Substanz, daher sind systemische Nebenwirkungen selten. Der Serumcalciumspiegel kann erhöht werden, wenn dadurch keine Symptome auftreten, kann dies toleriert werden.

Diskutiert wird das Auftreten von Knochensarkomen. Kein einziger Fall wurde bisher eindeutig auf Teriparatid zurückgeführt. Patienten mit pHPT bekommen auch nicht gehäuft Osteosarkome. Vor ca. 40 Jahren wurden in ersten tierexperimentellen Studien an Ratten Sarkome gefunden, aber die Ratten hatten von sich aus eine erhöhte Neigung Sarkome zu entwickeln, also auch die Ratten in der Placebogruppe. Dennoch wird Teriparatid bei Patienten nach oder mit einer Krebserkrankung nicht verschrieben.

Kiefernekrosen werden während einer Teriparatidtherapie nie beobachtet.

Vereinzelt berichten Patienten unter einer Teriparatidtherapie über Bauchschmerzen und Übelkeit, ein kausaler Zusammenhang wurde aber nicht gefunden. Eine symptomatische Therapie kann hier hilfreich sein.

1.1.4. Kontrolluntersuchungen unter Teriparatid

Während einer Teriparatidtherapie sollte der Patient alle 3 Monate beim Arzt vorstellig werden, dieser nimmt Blut ab und kontrolliert die BTMs und Parameter des Calciumstoffwechsels. Die Kontrollmessung der Knochendichte mittels DXA erfolgt jährlich.

1.2 Romosozumab

Romosozumab (Evenity®) ist das am stärksten wirksame Arzneimittel gegen Osteoporose und seit Dezember 2019 in Deutschland für die Behandlung von Frauen mit schwerer postmenopausaler Osteoporose zugelassen. Das Arzneimittel wird einmal pro Monat subkutan gespritzt, dabei werden jeweils 2 Injektionen à 105 mg gegeben. Die maximale Therapiedauer beträgt 12 Monate. Selbstverständlich ist Romosozumab nur wirksam, wenn die durch eine adäquate Basistherapie mit Eiweiß, Vitamin D, Bewegung und calciumreicher Ernährung begleitet wird.

1.2.1 Wirkmechanismus von Romosozumab

Romosozumab ist ein humanisierter monoklonaler Antikörper (IgG2). Romosozumab hemmt Sklerostin, einen Botenstoff der Osteozyten, der als negativer Regulator der Knochenbildung fungiert. Dadurch wird aufgrund der Aktivierung von Lining Zellen, der gesteigerten Knochenmatrixproduktion durch Osteoblasten und Rekrutierung von Osteoprogenitorzellen der Knochenaufbau gestärkt. Zusätzlich führt Romosozumab zu Veränderungen bei der Expression von Osteoklastenmediatoren und hemmt dadurch den Knochenabbau. Dieser duale Wirkmechanismus – verstärkter Knochenaufbau und gehemmter Knochenabbau – führt zu einem raschen Anstieg der trabekulären und kortikalen Knochenmasse sowie zu einer Verbesserung der Knochenstruktur und der Festigkeit führen.

1.2.2 Wirkungen von Romosozumab

Die Ergebnisse der FRAME-Studie zeigten, dass die monatliche Injektion von Romosozumab die Knochendichte der Wirbelsäule bei postmenopausalen Frauen mit Osteoporose um 13 % innerhalb eines Jahres steigert und die Anzahl neuer Wirbelbrüche gegenüber Placebo um 73 - 75 % senkt. Gegenüber Alendronat senkt Romosozumab das Frakturrisiko um 50% (ARCH-Studie) nach 1 Jahr. Innerhalb 4 Wochen nach 1. Injektion steigen im Blut das P1NP (Knochenanbaumarker) an und das CTX (Knochenabbaumarker) fällt ab.

1.2.3 Nebenwirkungen und Kontraindikationen einer Therapie mit Romosozumab

Als Nebenwirkungen traten in den Studien am häufigsten Nasopharyngitiden bzw. Sinusitiden (13,6 %) und Arthralgien (12,4 %) auf. Weitere häufige Nebenwirkungen waren unter anderem Überempfindlichkeit, Kopf- und Nackenschmerzen, Muskelkrämpfe, Ödeme und Hautreaktionen an der Injektionsstelle. Osteonekrosen des Kiefers oder atypische Femurfrakturen, zwei bekannte, seltene Nebenwirkungen der antiresorptiven Therapie, treten unter Romosozumab kaum auf.

Kontraindikationen sind ein Herzinfarkt oder Schlaganfall in der Anamnese. Romosozumab erhöht das Risiko für solche schwerwiegenden kardiovaskulären Ereignisse um 0,4%. Nieren- oder Leber-Insuffizienz sind keine Kontraindikationen.

Die deutsche Fachinformation enthält folgende wichtige Warnung: »Romosozumab sollte nur angewendet werden, wenn Arzt und Patient sich darüber einig sind, dass der Nutzen größer als das Risiko ist.«

Um dies zu beurteilen, sollten sowohl das Frakturrisiko über das nächste Jahr als auch das kardiovaskuläre Risiko berücksichtigt werden. Letzteres ist anhand von Faktoren wie kardiovaskulären Vorerkrankungen, Hypertonie, Hyperlipidämie, Diabetes, Rauchen, Niereninsuffizienz und Alter abzuschätzen.

1.2.4 Kontrolluntersuchungen unter einer Therapie mit Romosozumab

Alle 3 Monate, d.h. nach jeder 3. Injektion wird Blut abgenommen und die Knochenumbauparameter (BTM) Osteocalcin, CTX, Ostase (knochenspezifische alkalische Phosphatase), P1NP sowie die Parameter des Calciumstoff¬wechsels Serumcalcium, Serumphosphat, iPTH, 25-OH-D3 und 1,25-(OH)2D3 gemessen. Unter einer Therapie mit Romosozumab ist das CTX meist supprimiert oder im unteren Normbereich, während das P1NP deutlich ansteigt. Die Parameter des Calciumstoffwechsels sollten normal sein, der Vitamin D-Spiegel im oberen Normbereich. Bei Unterbrechung oder nach Beendigung der Therapie mit Romosozumab normalisieren sich die Knochenumbaumarker.

1.2.5 Folgetherapie nach einer Abschluss einer Therapie mit Romosozumab

Im Anschluss nach dem einen Jahr Therapie mit Romosozumab muss eine Anschlusstherapie mit einer antiresorptiven Substanz erfolgen. Am wirksamsten ist Denosumab (3.3.), ansonsten sollten am ehesten intravenöse Bisphosphonate (3.2.1.) gegeben werden.

1.3. Abaloparatid

Abaloparatid ist ein Abkömmling des PTHrP, des Parathormon-ähnlichen Peptids, und wirkt ähnlich wie Teriparatid über den PTH-Rezeptor. Beide Wirkstoffe wirken zwar am gleichen Rezeptor (PTH-Rezeptor Typ 1), allerdings in anderer Weise. Der Unterschied soll darin bestehen, dass Teriparatid neben der anabolen auch eine leichte katabole Wirkung auf den Knochenstoffwechsel hat, was zu einem Anstieg des Kalziumspiegels führt. Diese Nebenwirkung soll bei Abaloparatid nicht vorhanden sein oder wenigstens deutlich schwächer ausfallen. Abaloparatid ist noch nicht zur Behandlung der Osteoporose in Deutschland zugelassen.

1.4. Fluoride, Anabolika, Wachstumshormon

Fluoride sind Substanzen, die den Knochenumbau stimulieren. Sie sind für die Therapie der Osteoporose zugelassen. Die Knochendichte wird gesteigert, aber die Bruchfestigkeit sinkt. Von daher werden sie heute nicht mehr eingesetzt. Sie sind einzig und allein in deutlich niedrigeren Dosen zur Kariesprophylaxe geeignet.

Anabolika sind ebenfalls zur Osteoporosetherapie zugelassen, Wachstumshormon ist nicht zur Behandlung der Osteoporose zugelassen. Beide Substanzen stimulieren den Knochenanbau, den Muskelaufbau und steigern die Knochendichte. Aufgrund der Nebenwirkungen werden beide Substanzen bei der Behandlung der Osteoporose nicht mehr eingesetzt bzw. nicht weiterentwickelt.

Weitere Informationen:

Prof. Dr. med. Dr. h.c. Christian Wüster, Arzt für Innere Medizin/Endokrinologie und Diabetologie, Osteologe (DVO) und Alexander David Klaeser, Arzt für Innere Medizin

Hormon- & Stoffwechselzentrum Prof. Wüster MVZ GmbH

Wallstrasse 5-7 | 55122 Mainz

Tel. 06131-588 480 | info@prof-wuester.de

www.prof-wuester.de

Dr. med. Dr. h.c. Christian Wüster Arzt für Innere Medizin/Endokrinologie und Diabetologie, Osteologe (DVO) Hormon- & Stoffwechselzentrum Prof. Wüster MVZ GmbH
Dr. med. Dr. h.c. Christian Wüster
Arzt für Innere Medizin/Endokrinologie und Diabetologie, Osteologe (DVO)
Hormon- & Stoffwechselzentrum Prof. Wüster MVZ GmbH

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